Mr. Titleist erzählt Teil II
Abdruck aus Travel & Leisure Golf
Wally Uihlein
Manche Leute behaupten, das heutige “Power Game“ sei hauptsächlich auf die Golfbälle zurückzuführen. Was antworten Sie Ex-Champions wie Jack Nicklaus, die behaupten, die modernen Bälle würden schlichtweg zu weit fliegen?
Der Paradigmenwechsel zum “Power Game” resultiert aus folgenden sechs Einflussgrößen: 1) Einführung von Hochleistungsgolfbällen, die weniger Spin annehmen. 2) Einführung von Oversize-Titan-Drivern mit dünnen Schlagflächen. 3) Verbesserter Platz- und Pflegzustand. 4) Stärkere Physis der Spieler – sie sind größer und stärker. 5) Verbesserste Spieltechniken. 6) Und verbesserte Anpassung des Materials über Launch-Monitore. Fünf dieser sechs Einflussgrößen werde von Medien und Technologie-Gegnern gerne übersehen, wenn es um das so genannte „Problem“ geht. Alles auf die Golfbälle zu schieben, ist eine grobe Vereinfachung.
Wenn es überhaupt ein Problem gibt, ist es ohnehin im Wesentlichen beschränkt auf Profi-Golf. Wie wäre es dann, einen “kürzeren Ball” nur für die Pros zu entwickeln, wie Greg Norman es in unserer Juli/August-Ausgabe vorschlug?
Wir haben diese Idee der Zweigleisigkeit (Bifurkation) nie unterstützt. Es wird von allen das gleiche Spiel nach den gleichen Regeln und mit der gleichen Ausrüstung gespielt – das macht Golf aus. Unterschiedliche Regeln den Ball oder die Schläger betreffend hätten nur zum Ergebnis, dass die längeren Spieler auf der Tour nur länger im Vergleich zu weniger langen Spielern auf der Tour wären. Das würde aber gleichzeitig bedeuten die Büchse der Pandora zu öffnen im Hinblick auf die Reglementierung von Ausrüstung auf den lokalen und nationalen Ebenen sowie in den unterschiedlichen Spielklassen. Profi-Golf und Amateur-Golf lässt sich nicht immer sauber trennen. Das mach t Golf andererseit aber auch so großartig. Daher ist beispielsweise unsere National Championship eine offene Meisterschaft, die von der USGA (Anm.: Regelbehörde und Vereinigung der amerikanischen Golfclubs) verwaltet wird. Die zweigleisige Regelung wird nur von denjenigen vorangetrieben, die glauben, Golf stünde vor einem Abgrund und aus diesen engstirnigen Denken heraus radikale Einschnitte für notwendig erachten.
Die USGA und der R&A damit begonnen, über eine Reduzierung der Länge bei Golfbällen nachzudenken. Was ist Ihre Sichtweise dazu?
Von allen Produkten in der Geschichte des Golfs wurde schon immer der Golfball am meisten und strengsten reglementiert. Wir denken, die aktuell geltenden Regeln für Bälle und Schläger sind absolut adäquat, um irgendwelche signifikanten Längen-Steigerungen aufgrund technischer Einflüsse zu kontrollieren. Die Grenzen sind abgesteckt. Wenn die Normbehörden festlegen, dass eine Minderung der Distanz notwendig ist und wenn sie die kontrollierbaren Variablen von Ball und Schläger verändern möchten, so sind wir der festen Überzeugung, dass man den schrittweisen Längenzuwachs der letzten zwanzig Jahre nicht einfach nür über entweder die Bälle oder die Schläger rückgängig machen kann. Unseren Untersuchungen zufolgen haben Bälle und Schläger daran einen etwa gleich hohen Anteil. Das Augenmerk nur auf eines von beiden zu richten wäre ebenso unfair wie praxifern. Die Normbehörden haben sich aber immer als fair und praxisnah gezeigt, wir sind sicher, sie werden auch weiterhin Augenmaß beweisen.
Betrachtet man die Normen, was könnten die Entwicklungen in der Ausrüstung sein?
Die Wurzeln von Acushnet gründeten schon immer auf Produktleistung. Das war so in den vergangenen 70 Jahren, und das soll auch so bleiben. Wir werden Wege finden, Leistung auch im Rahmen der gegebenen Normen weiter zu verbessern. Innovation wird sich auch aus einem besseren Verständnis des Zusammenspiels von Körper, Schwung-Effizienz und Ausrüstung ergeben. Unser Titleist Performance-Institut ist hierfür ein ideales Lernlabor. Mit 3D-Analysen können wir alle Geschwindigkeiten der Drehbewegung des Körpers erfassen und bekommen ein genaues Bild aller Abläufe während des Schwungs. Wir können – isoliert von möglichen körperlichen Einschränkungen - messen, wieviel Geschwindigkeit ein Spieler generieren und an den Ball bringen kann. Baut man ein auf die Person zugeschnittenes Fitnessprogramm ein und ergänzt dies mit maßangepassten Schlägern, wird sich die Leistung des Spielers verbessern. Die besten Spieler der Welt haben das Optimierungs-Potenzial längst erkannt. Diese Gelegenheit gibt es in Zukunft auch für immer mehr Amateure – sie können ihren Körper durchchecken und eine Schwung- und Schlägeranalyse machen lassen, um zu ihre persönliche Höchstleistung anpeilen und erreichen zu können.
Wo sehen Sie in den nächsten zehn Jahren die größten Wachstumschancen?
Als Industrie müssen wir Ausbildung und Unterricht unterstützen. Denn, wie jeder, der spielt, bestätigen kann, ist dieses Spiel außergewöhnlich schwierig, und ohne mehr und bezahlbaren Unterricht, vor allem in jungen Golfmärkten, wird es eine Herausforderung sein, eine Spielerbasis anzuziehen, zu halten und weiter zu entwickeln. Unser Beifall gilt amerikanischen PGA für ihre “Play Golf America”-Kampagne zur Unterstützung des Spiels über Ausbildung und Unterricht. In Märkten außerhalb der U.S. müssen wir die Infrastruktur stärken, ähnlich der PGA von Amerika, damit das Spiel als angenehm angesehen wird. Wenn Sie und ich besser spielen, spielen wir mehr Runden. Das ist grundlegend, wird aber von den meisten Gremien der Industrie nicht verstanden. Einen Lichtblick sehe ich, wenn wir dazu beitragen, dass die Menschen daran glauben, dass sie sich verbessern können. Daran zu glauben, dass die nächste Runde besser wird als die letzte war, das weckt den Wunsch öfter zu spielen. Und das ist die Win-Win-Lösung für alle Parteien.
Aus: Travel & Leisure Golf, 2005. Übersetzung: Stella Herbeck